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1.11.3 Der zweite Weltkrieg

Am 01.09.1939 begann der 2. Weltkrieg mit dem Angriff auf Polen und dem Sieg in einem Blitzkrieg.

Die jüngeren Einwohner waren überwiegend begeistert, während viele ältere sehr viel skeptischer waren. Wir Kinder spielten draußen „Soldaten“ und im Haus mit Soldaten aus Plastilin oder Zinn (im Verlauf des Krieges gab es nur noch Pappsoldaten als Nachschub). Beliebtes Spielzeug waren auch Soldatenautos, Kanonen und Panzer.

Die erste Einquartierung im Dorf waren für kurze Zeit Soldaten einer Instandsetzungskompanie. Dann waren Saarländer im Ort untergebracht, die aber bald wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten.

Männer und Jugendliche auch aus Bömighausen mussten zur Wehrmacht einrücken.

Im Radio und in den Zeitungen wimmelte es von Sieges- und Sondermeldungen. Eigene Verluste an Menschen und Material wurden nicht erwähnt. Die Propagandamaschine versorgte die Menschen noch kurz vor Kriegsende mit Berichten über die Entwicklung von Wunderwaffen und den bevorstehenden Endsieg. Doch immer mehr bekamen wir auch in dem kleinen, ruhigen Bömighausen von der Wirklichkeit des Krieges mit.

Bestimmte Lebensmittel, Textilien und andere Dinge für den täglichen Bedarf gab es (z.B. eine Glühbirne oder ein Fahrrad) nur noch auf Lebensmittelkarten oder Bezugscheine. Da die Landwirtschaft noch eine große Rolle spielte, brauchten die Leute im Dorf keinen Hunger leiden. Der Tauschhandel hatte bis nach dem Krieg (Währungsreform) Konjunktur. Auch der Anbau im Garten, sowie das Sammeln und Verwerten von Wildfrüchten (Heidelbeeren, Himbeeren, Hagebutten, Schlehen, Bucheckern, Pilze usw.)

Die Menschen entdeckten alte Techniken wieder, Spinnrad, Butterfass und Kaffeebrenner wurden vom Boden geholt. Buttern und „schwarz“ schlachten waren streng verboten.

Abends surrten die Spinnräder, klapperten die Stricknadeln, es wurde gestopft, geflickt und genäht.

Es häuften sich die Nachrichten über vermisste, in Gefangenschaft geratene oder gefallene Männer aus dem Dorf.

Viele Arbeitsplätze in der Landwirtschaft wurden durch polnische Fremdarbeiter (männliche und weibliche Kriegsgefangene) versehen. Sie mussten ein P in ihrer Kleidung tragen.

Auch die Schule war durch den Krieg betroffen. Schulbücher wurden von den älteren Schülern übernommen. Hefte aus allerlei Papier selbst gefertigt.

Die Schüler aus Neerdar mussten im wahrsten Sinne des Wortes nach Bömighausen in die Schule – und zurück – gehen (vgl. WOB Neerdar).

Über das ganze Jahr hinweg wurden die älteren Schulkinder zu Sammlungen eingesetzt. Was wurde nicht alles gesammelt? Altmaterial und alte Textilien, Wildfrüchte und Heilkräuter und vieles mehr.

Die Kinder des Dorfes mussten in dieser Zeit allerlei Heilkräuter u. a. sammeln.

Dazu einige Beispiele: Am 4.9.43 wurden folgende Mengen Lindenblätter abgeliefert:

Brutto Tara Netto

2,250kg 0,420kg 1,830kg

2,750kg 0,420kg 2,330kg

2,750kg 0,430kg 2,320kg

4,000kg 0,420kg 3,580kg

zusammen 10,060kg

Ebenfalls am 4.9.43 folgende Mengen Waldmeister:

3,250kg 0,540kg 2,710kg

3,750kg 0,430kg 3,320kg

zusammen 6,030kg

Fingerhutblätter und Wildfrüchte wie Weißdorn Hagebutten und Schlehen wurden ebenfalls gesucht. Darüber hinaus wurde auch Schrott, Lumpen und Altpapier im Dorf gesammelt. Aus den Unterlagen geht hervor, dass am 30.8.1944 100 kg Schrott, 20 kg Lumpen, 50 kg Altpapier und

25 kg Schrott in Bömighausen und Neerdar gesammelt wurden.

Der Luftkrieg weitete sich immer mehr aus und berührte auch direkt oder indirekt unsere Heimat. Frauen und Kinder aus den Städten wurden evakuiert und brauchten Wohnraum. Der Luftschutz wurde organisiert (Übungen und Kontrollen der Verdunklung). Luftschutzkeller wurden eingerichtet. Bomberpulks zogen mit ihrer todbringenden Fracht über das Dorf hinweg und manchmal konnten wir Luftkämpfe beobachten.

Ab 1943 waren Oberschüler bei der Luftabwehr als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Aus Bömighausen wurde Herbert Thomas mit 15 ½ Jahren zur Flak eingezogen. Welch ein Wahnsinn! Nach Dienst in Kassel, am Edersee und Bebra schickte man ihn mit seinen Kameraden 1945 in den „Endkampf“. In der Nähe von Paderborn, nahmen die Amerikaner sie gefangen und brachten sie in ein Gefangenenlager in Nordfrankreich aus dem er nach Kriegsende glücklich heimkehren konnte.

 

Das linke und rechte Bild zeigen Personal-Ausweise von Albert Pöttner in der Deutschen Arbeitsfront. Die Gültigkeit ist mit 1936 angegeben. Albert Pöttner wurde am 28. September 1906 geboren.

Eine besondere Bedrohung wurden die Tiefflieger, die allgemein gefürchtet und gehasst waren. Züge, Autos, selbst Radfahrer und Bauern auf dem Feld wurden angegriffen. Bei einem Angriff auf den Mittagszug wurden am 24. 10. 1944 zwischen Lelbach – Rhena und Bömighausen 14 Personen getötet und zahlreiche verletzt, darunter auch Schüler, die aus dem Upland in das Gymnasium nach Korbach gingen.

Wir lernten schnell, uns in den Löcher, die entlang freier Straßenabschnitte ausgehoben waren, oder in einem Graben zu verstecken.

Die Propaganda arbeitete weiter auf Hochtouren z.B. wurde von Abwehrschlachten und Frontbegradigungen gesprochen. Vor Spionen sollte eine finstere Gestalt mit dem Schriftzug PST warnen, Feind hört mit! An Zügen und Bahnhöfen prangte der Satz: „Räder müssen rollen für den Sieg“ an den kaum noch jemand glauben wollte. Der Zusammenbruch kam 1944/45 immer näher (auch räumlich). SS und Volkssturm sollte den Feind zurückschlagen. Die Front löste sich immer mehr auf, versprengte Soldaten suchten in Zivilkleidung ihre Heimat zu erreichen. In der Endphase 1945 wurden Lebensmittel und Wertsachen versteckt, sowie Führerbilder und NS. Literatur verbrannt. Von den Fahnen wurden die Hakenkreuze entfernt und manche wurden für nützliche Zwecke als Kleid oder Rock verwendet.