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1.11.5 Die Nachkriegszeit

Nach der kampflosen Besetzung des Dorfes durch die Amerikaner herrschte allgemeine Erleichterung und es begann die Nachkriegszeit. Nicht alle Unannehmlichkeiten waren sofort vorbei. Die einquartierten Soldaten zogen bald wieder ab. Wir Kinder hatten uns schnell mit den Soldaten arrangiert und lernten Kaugummi, echte Schokolade sowie die ersten Farbigen kennen. Die Erwachsenen staunten über die gute Ausrüstung und Verpflegung dieser Truppe im Gegensatz zu den abgerissenen Uniformen der deutschen Soldaten, die auf Lastwagen in Gefangenlager transportiert wurden. Eine Verpflegungsdose der US- Armee, die zwischenzeitlich bei Schusters als „Pinnendose“ diente, ist noch heute als Erinnerungsstück in meinem Besitz. Es begann die Ära der Militärregierung. Nazis (und angebliche) wurden in Internierungslager gebracht. Die Bewohner wurden registriert.

Das rechte Bild zeigt die Registration von Emil Thomas vom 10. Mai 1945

Ein Kuriosum ist das „town of Bömighausen“ (also Stadt für Bömighausen), der Fingerabdruck und die Legitimation durch einen Fischerei Schein.

Emil Thomas wurde z.B. als Lehrer entlassen und erst nach langem Warten, Sorgen und Kämpfen wieder eingestellt.

Eine deutsche Hilfspolizei wurde gebildet aus Bömighausen war Fritz Pohlmann dabei. Die Fremdarbeiter- in Bömighausen meist Polen- wurden befreit und konnten in ihre Heimat zurückkehren oder auswandern. Kontakte zwischen einem damals bei Müllers beschäftigten Polen und Ludwig Behlen bestehen noch heute.

Die amerikanische Verwaltung erließ das Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus. Alle (außer Kindern) mussten Fragebogen mit vielen Fragen ausfüllen aus denen ihre Beteiligungen im NS- System hervorgehen sollten. Es wurden Spruchkammern zusammengestellt (in Hessen 104), die die Bevölkerung in schriftlichen oder mündlichen Verfahren in 5 Gruppen (1. Hauptschuldige, 2. Belastete, 3. Minderbelastete, 4. Mitläufer, 5. Entlastete) einteilten und Sühnemaßnahmen oder Strafen verhängten.

Die beiden obigen Kopien zeigen die Einfstufung von Friderike Emden in Gruppe 5.

Um diese Einstufungen und Strafen möglichst günstig für sich zu gestalten, reichten die Beschuldigten entlastende Zeugenaussagen sogenannte „Persilscheine“ ein.

Nachfolgend das Gutachten des Bürgermeister Schalk 1946 betr. Wiedereinsetzung des Lehrer Thomas in Bömighausen. Bei der Abfassung dieses Schreibens war wahrscheinlich der Kaufmann Joel dem Landwirt und Bürgermeister Schalk behilflich.

Eidestattliche Erklärung.

Herr Lehrer Thomas ist mir seit dem Jahre 1920, in dem er die hiesige Schule übernahm bekannt. Er ist in der Gemeinde von jeher durch sein ruhiges, freundliches und hilfsbereites Wesen und seine pflichtgetreue Arbeit an der Erziehung der schulpflichtigen Dorfjugend wohlgelitten.

Über seine Einstellung zu den nationalsozialistischen Lehren und Bestrebungen ist zu sagen, das Herr Thomas niemals als Werber oder Befürworter für die NSDAP hervortrat. Er hat auch niemals in gehässiger Weise gegen das Judentum Stellung genommen und die auf diesem Gebiet vorgekommenen bedauerlichen Ausschreitungen niemals befürwortet, beschönigt oder verteidigt.

Ebensowenig hat er sich selbst an solchen Vorgängen beteiligt.

Es ist auch kein Fall bekannt geworden, wo Herr Lehrer Thomas sich gegen Personen, die den Nationalsozialismus ablehnten, unduldsam oder gehässig gezeigt, gegen sie Anzeige bei der Gestapo befürwortet oder selbst erstattete, ihre Verbringung ins KZ angeregt oder in sonstiger Weise gegen die allgemeinen Grundsätze der Menschlichkeit verstoße hätte.

Bei der Erziehung der Schulkinder hat Herr Lehrer Thomas seine Aufgabe stets darin gesehen, unserer Schuljugend die erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln, sie charakterlich heranzubilden und ihnen die nötige moralische Festigkeit für ihren Lebensweg anzuerziehen. Hierin hat sich auch nach 1933 nichts geändert. Auch seit dieser Zeit hat Herr Lehrer Thomas nicht unternommen, was die ihm anvertraute Schuljugend zur Unduldsamkeit und Gehässigkeit gegenüber politisch Andersdenkenden hätte veranlassen können.

Seine politische Einstellung wird weiter dadurch gekennzeichnet, dass er nach wie vor in der evangelischen Kirche verblieb, den Religionsunterricht weiter erteilte und vertretungsweise auch das Orgelspiel beim Gottesdienst übernahm. In die Partei trat er erst mit Wirkung vom 1. Mai 1938 ein, also zu einem Zeitpunkt, wo bekanntermaßen auf die Beamten ein besonderer Druck mit diesem Ziele ausgeübt wurde. Bereits im Jahre 1934 hatte Herr Thomas den Posten des Blockwalters der NSV in der hiesigen Gemeinde übernehmen müssen. Er hat hiervon aber nie Aufhebens gemacht, ist insbesondere auch nie als Werber in Erscheinung getreten, sondern hat rein geschäftsmässig die eingehenden Gelder und Sachwerte verwaltet und weitergeleitet.

Nach alledem muss festgestellt werden, dass Herr Lehrer Thomas ganz sicher kein Verfechter und Werber für nationalsozialistisches Gedankengut gewesen ist und der NSDAP nur äußerlich angehört hat. Seine weitere Beschäftigung im Lehrerberuf erscheint diesseits politisch ganz unbedenklich. Die Gemeinde Bömighausen würde sich freuen, wenn Herr Thomas seine Tätigkeit als Lehrer bald wieder aufnehmen dürfte.

Die Richtigkeit der vorstehenden Ausführungen versichere ich an Eidestatt.

Bömighausen, den 27. Mai 1946, Schalk (Bürgemeister)

 

Die Spruchkammern hatten durch die Zusammensetzung (Antifaschisten) und ihre Amtsführung oft keinen guten Ruf und brachten die „Entnazifizierung“ nicht zu einem Erfolg.

Groß war im Ort die Anteilnahme und Freude, wenn Kriegsgefangene oft nach langen Jahren in ihre Heimat zurückkehren konnten. Umso schmerzlicher traf es Familien, die endgültige Todesnachricht über einen Angehörigen erhielten.

Zunächst dominierte auch in den ersten Nachkriegsjahren noch die schlechte Versorgung auf Marken und Bezugsscheine. Gut funktionierte dagegen der Tauschhandel, besonders Lebensmittel, sowie Zigaretten und Zigarren waren gefragt. Erst langsam setzte mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau eine Verbesserung des Warenangebotes und der Lebensverhältnisse ein. Durch die Währungsreform angestoßen, kam es zum Wirtschaftswunder in Westdeutschland. Politisch bedingt war die Teilung Deutschlands und der Kalte Krieg.

 

Einen Einblick in diese Wohnungsnot nach dem 2. Weltkrieg gibt folgender Bericht von Trachte Dommes vom 12. Januar 1946.

Bau des Hauses auf dem Arfeld Haus Nr. 42 am Ausgang von Bömighausen nach Alleringhausen.

In Bömighausen befanden sich in den Jahren von 1940 bis 1945 sehr viele Evakuierte aus den Städten vom Ruhrgebiet. Aus diesem Grunde wurden aller Orten sehr viele Behelfsheime gebaut. So hatte sich auch eine Familie an das Landratsamt gewandt, um ein derartiges Haus zu bauen. Der Landrat besichtigte daraufhin meine Ländereien und übte einen gewissen Zwang auf mich aus, dass ich einen Bauplatz abgeben sollte. Zuerst hatte ich vorgeschlagen einen Bauplatz hinter der Scheune zu wählen. Dies wurde abgelehnt und ein Bauplatz auf dem Arfelde bestimmt. Unter diesem Zwang entschloss ich mich selbst als Bauherr aufzutreten. Im Jahre 1945 im Monat März wurde mit dem Bau begonnen. Die Ausschachtungsarbeiten musste ich selbst ausführen. Auch die Grundmauern habe ich selbst errichtet. Die Steine dazu wurden aus dem eigenen Steinbruch gebrochen und zwar im Brand. Das Bauholz habe ich auch zum Teil geliefert. Die Zimmerarbeiten wurden von Saure und Kiel aus Neerdar ausgeführt. Im August 1945 wurde das Haus gerichtet. 12,28 cbm Holz waren erforderlich. Der Zimmerlohn betrug 375 Mark. Die Bretter, welche benötigt wurden, habe ich selbst schneiden lassen. Der Schiefer stammt aus dem Schieferbruch in Willingen. Die Beschreibung lässt den Anschein aufkommen, dass alles so leicht zu machen und zu beschaffen gewesen wäre. Dies ist aber nicht der Fall gewesen. Gerade die Beschaffung der Rohmaterialien war mit sehr viel Arbeit und Mühe verbunden, ganz zu schweigen von den Gegenlieferungen. Auch die Handwerker legten keinen großen Wert auf Entlohnung gegen Geld, sondern reflektierten auch auf Gegenlieferungen. Also sehr große Schwierigkeiten mussten überwunden werden. Das Bohlholz musste ich selbst anbringen und auch selbst den Lehm für die Decken auf Fußböden auftragen. Die Dachpappe für das Dach konnte auch nur auf Umwegen beschafft werden. Im Jahre 1945 wurde das Haus unter Dach gebracht. Im Winter von 45 auf 1946 konnte nicht weiter gearbeitet werden, weil die Kälte und der Frost keinen Verputz der Wände zuließen. Die Evakuierten, welche auf das Haus reflektierten, zogen inzwischen ab, weil der Krieg ja im Jahre 1945 beendet war.