1.10.2 Bunte Gaukler der Luft
- Schmetterlinge um Bömighausen
Bernd Hannover
Streift man an einem sonnigen Sommertag durch eine der zahlreichen bunten Blumenwiesen um Bömighausen, entlang an den üppigen Hecken und strukturreichen Waldrändern, so fallen dem aufmerksamen Naturbeobachter die in zahlreichen Farben schillernden Falter auf, die uns Menschen Leichtigkeit und Lebensfreude vermitteln und die Sorgen des Alltags vergessen lassen. Für die meisten Menschen verborgen bleibt das Heer der Nachtschmetterlinge, die höchstens einmal um eine Lampe fliegend sichtbar werden. Aber auch hunderte von Kleinschmetterlingsarten, wie z.B. Motten, Zünsler und Wickler kann man sowohl bei Tage als auch bei Nacht beobachten.
Das Leben eines jeden Falters durchläuft eine wundersame Verwandlung vom Ei zur gefräßigen Raupe über ein Puppenstadium zum wunderschönen Schmetterling, den Flugkünstler, der nur mit einigen Tautropfen und etwas Nektar zu gewaltigen körperlichen Leistungen fähig ist.
In der Gemarkung Bömighausen wurden bisher über 150 Schmetterlingsarten nachgewiesen.
Welch eine Freude, wenn wir nach dem langen Winter im Frühling die ersten Schmetterlinge entdecken. Dies sind zunächst die als Falter überwinternden Arten, wie der leuchtend gelbe Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni), das Tagpfauenauge (Nymphalis io), Kleiner Fuchs (Nymphalis urticae) und in den Wäldern und an dessen Rändern der C-Falter (Nymphalis c-album).
Bereits im April kommen die als Puppe oder erwachsene Raupe überwinternden Falter hinzu. Besonders auffällig ist der Aurorafalter (Anthocharis cardamines), dessen Männchen leuchtend orange Flügelspitzen hat, während das Weibchen nur eine einfache schwarze Zeichnung auf weißem Grund hat und deshalb leicht mit dem Kleinen Kohlweißling (Pieris rapae) oder dem Grünader-Weißling (Pieris napi) verwechselt werden kann, die ebenfalls um diese Zeit fliegen. Der wohl schönste und größte Tagfalter, der Schwalbenschwanz (Papilio machaon), wurde in Bömighausen nicht nur auf den Magerwiesen beobachtet, sondern legt seine Eier auch in den Gärten an Möhre und Dill ab.
Weitere bereits im April und Mai beobachtete Tagfalter sind:
Großer Kohlweißling (Pieris brassicae)
Landkärtchen (Araschnia levana)
Kleiner Würfel-Dickkopffalter (Pyrgus malvae)
Gelbwürfeliger Dickkopffalter (Carterocephalus palaemon)
Kleiner Feuerfalter (Lycaena phlaeas)
Brauner Feuerfalter (Lycaena tityrus)
Grüner Zipfelfalter (Callophrys rubi)
Kleiner Heufalter (Coenonympha pamphilus)
Waldbrettspiel (Pararge aegeria)
Mauerfuchs (Lasiommata megera)
Rundaugen-Mohrenfalter (Erebia medusa)
Im Mai kann man in den Buchenwäldern rings um Bömighausen häufig einen großen braunen Falter zickzack über die Waldwege fliegen sehen, den Nagelfleck (Aglia tau), einem „Nachtfalter“ der unermüdlich Tag und Nacht fliegt.
Den Inbegriff für Sonnenschein und Wärme stellt die endlos erscheinende Vielzahl der im Sommer erscheinenden Schmetterlinge dar, die ab Juni mit dem Höhepunkt im Juli und August von einer Blüte zur anderen fliegen. Hierbei handelt es sich um Arten die als Ei beziehungsweise Jungraupe überwintern und erst ihre Entwicklung abschließen müssen, oder aber es ist bereits die zweite Generation der „Frühlingsfalter“. Nach einer kurzen „Schmetterlingsarmen“ Zeit Mitte Juni tauchen als erstes die prächtigen Perlmuttfalter auf: Kaisermantel (Argynnis paphia), und Großer Perlmuttfalter(Argynnis aglaja).
Überall an den Wiesen-, Hecken- und Waldrändern sieht man jetzt den braunen Schornsteinfeger oder Brauner Waldvogel (Aphantopus hyperantus), das Große Ochsenauge (Maniola jurtina) und das Schachbrett (Melanargia galathea). Eine besondere Rarität stellt der Fund eines Argus-Bläulings (Plebeius argus) auf einer blütenreichen Magerwiese zwischen den Bömighäuser Tannen und dem Freizeitsee dar. An Blütenböschungen im Bereich der Rhenamündung wurden drei in Hessen „stark gefährdete“ Arten entdeckt: Dukaten-Feuerfalter (Lycaena virgaureae), BraunfleckigerPerlmuttfalter (Boloria selene) und der Malven-Dickkopffalter (Carcharodus alceae).
Außerdem wurden noch folgende Tagfalterarten außer den genannten im Sommer in und um Bömighausen beobachtet:
Braunkolbiger Braun-Dickkopffalter (Thymelicus sylvestris)
Schwarzkolbiger Braun-Dickkopffalter (Thymelicus lineola)
Rostfarbiger Dickkopffalter (Ochlodes sylvanus)
Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus)
Weißbindiges Wiesenvögelchen (Coenonympha arcania)
Blauer Eichen-Zipfelfalter(Neozepyrus quercus)
Pflaumen-Zipfelfalter(Satyrium pruni)
Nierenfleck-Zipfelfalter(Thecla betulae)
Aber auch eine Reihe von „Nachtfalterarten“ gesellen sich am Tag unter die muntere Schar der Schmetterlinge, wie z.B. Braune Tageule (Euclidia glyphica), Scheck-Tageule (Callistege mi), Buschrasen-Grasmotteneulchen (Deltote deceptoria), Schwarzspanner (Odezia atrata), Gitterspanner (Chiasmia clathrata), Weißer Schwarzaderspanner (Siona lineata), Thymian-Widderchen(Zygaena purpuralis),Blutströpfchen (Zygaena filipendulae) und das seltene Ampfer-Grünwidderchen (Adscita statices).
Und dann ist da noch die Gruppe der Wanderfalter , die den weiten Weg aus den südlichen Ländern über die Alpen nicht scheuen und bei uns vom Frühjahr bis zum Herbst in jahrweise unterschiedlicher Zahl zu beobachten sind, aber die rauen Winter um Bömighausen nicht überstehen können. Teilweise wandert die hier produzierte Generation wieder zurück ans Mittelmeer. Bereits Anfang Mai kann man den Kleinen Perlmuttfalter (Issoria lathonia) mit seinen großen silbernen Unterflügelflecken in der offenen Landschaft oder an den Waldrändern entdecken. Im Sommer 2003 konnten viele das Kolibriähnliche Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) an ihren Gartenblumen schwirren sehen, oder auf einer Wiese einen leuchtend gelben Falter beobachten, den Postillon oder Wander-Gelbling (Colias crocea). Jeder kennt wohl den farbenfreudigen Distelfalter (Vanessa cardui) oder den Admiral (Vanessa atalanta), den man noch bis weit in den Oktober in den Gärten von Bömighausen beobachten kann, wenn er z.B. an abgefallenen Äpfeln oder Zwetschen saugt. Geradezu massenhaft fliegt in manchen Jahren die Gamma-Eule (Autographa gamma) ein und ist dann überall auch bei Tage zu sehen.
Selbst im Winter kann man in Bömighausen an Baumstämmen, Hauswänden oder beleuchteten Fenstern noch einzelne Schmetterlinge entdecken. Einige Nachtfalterarten haben sich auf diese raue Jahreszeit spezialisiert, um vor Feinden einigermaßen sicher zu sein: Großer und Kleiner Frostspanner (Erannis defoliaria, Operophtera brumata), Frühlings-Kreuzflügel (Alsophila aescularia) und Schneespanner (Phigalia pilosaria).
Die ungewöhnlich große Vielfalt der Schmetterlinge in und um Bömighausen ist immer eng verbunden mit einer Vielfalt der Nahrungspflanzen. Extensiv bewirtschaftete Grünländer mit Hecken, naturnahe und strukturreiche Wälder und Waldränder, blütenreiche ungemähte Wegränder und naturnahe Gärten bieten den farbenprächtigen Gauklern der Luft auch in Zukunft die Möglichkeit zum Überleben, zur Freude des Menschen.